Margret Antonie Boveri (*1900, +1975)

Bei ‚Die Berliner Literaturkritik‘ gibt es unter Eine kategorische Patriotin. Der Lebensweg der Journalistin Margret Boveri eine lesenswerte Biographie zu Margret Antonie Boveri.

Boveri war während der Zeit des Nationalsozialismus Auslandsreporterin u.a. in den USA, die einerseits mit ihrer Arbeit die Diktatur faktisch stützte, andererseits jedoch auch mit Schlüsselpersonen des deutschen Widerstands wie Adam Freiherr von Trott zu Solz befreundet war.  Als die USA in den Krieg eintraten, wurde sie als feindliche Ausländerin interniert und im Mai 1942 nach Deutschland abgeschoben. Im Krieg glaubte sie in der Heimat sein zu sollen, also in Berlin, ihrem Hauptwohnort. Selbst als die Bombenangriffe Berlin zerstörten blieb sie in der Hauptstadt und erlebte dort auch das Kriegsende und die Besatzung zunächst nur der Sowjets, dann der vier Mächte. Das hätte sie nicht müssen, weil ihr auch in der Deutschen Botschaft in Madrid ein „ruhiges Plätzchen“ angeboten wurde, wo sie in Frieden das Kriegsende hätte abwarten können.

Über die kritische Zeit von Februar bis September 1945 berichtet sie dann als Zeitzeugin in Tage des Überlebens. Berlin 1945 u.a. über die Vergewaltigungen durch Rotarmisten.

Im Jahr 1946 bringt sie ihre Amerikafibel für erwachsene Deutsche heraus, in der sie ihren Landsleuten die Mentalität der Amerikaner aus tiefgründig-kritischer Distanz sachkundig erläutert. Hier eine Rezension von 2007 zu einer Neuauflage der Amerikafibel: Ein Graben zwischen Deutschen und Amerikanern.

Die Teilung Deutschlands lehnte sie entschieden ab und warf den drei westlichen Siegermächten vor, die Teilung bewusst herbeigeführt zu haben, wobei sie von Konrad Adenauer unterstützt worden seien. Die Folge war, dass sie auch die Bundesrepublik ablehnte. Sie radikalisiert sich jedoch nicht, sondern arbeitet stattdessen an den Grundfragen, die sie in ihrem Innersten beschäftigen.

So erscheint von 1956–1960 ihr vier Bände umfassendes Hauptwerk „Der Verrat im XX. Jahrhundert“, mit dem es ihr gelingt, sich als Kritikerin zu etablieren. Hier berichtet der Spiegel darüber und hier die Zeit. Eine gute Zusammenfassung davon scheint mir das hier zu sein:

Der Verrat ist in unserem Leben zum Alltagsbegriff geworden, so umfassend, als habe er sein eigenes geheimes und so undurchsichtig-mächtiges Reich auf einer Ebene errichtet, die sich nicht mit Völkern, Nationen, Verfassungen, Glaubensgemeinschaften deckt, aber doch alle zerstörend oder verwandelnd durchdringt. Der Inhalt des Verrats wechselt, indem sich das Rad der Geschichte dreht. Heute werden als Helden oder Märtyrer die gefeiert, die gestern als Verräter gehenkt wurden, und umgekehrt.

Zur Zeit der Ostverträge versöhnt sie sich dann mehr oder weniger mit der Bundesrepublik, ist aber weiterhin nicht bereit sich wegen ihrer Arbeit während der NS-Zeit pauschale Vorhaltungen machen oder sich gar als „Nazideutsche“ bezeichen zu lassen.

Eine abgeklärte und überaus streitbare Persönlichkeit, die man sich vielleicht am Besten als eine weibliche Ausgabe von Peter Scholl-Latour vorstellen kann. Selbst heute – mehr als 35 Jahre nach ihrem Tod – hat man noch Achtung vor ihr, wie man aus den neueren Artikel über sie ablesen kann.